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by Markus Rabe

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Interview

Zum Thema Heimat

Heimat: Markus, du hast schon in vielen Städten gelebt, unter anderem in Bremen, Frankfurt, Salzburg, Wien und kurze Zeit auch in Paris. Was hat Dir geholfen anzukommen?

Rabe: Das Flanieren und Herumschweifen. Die Freude daran Neues zu entdecken. Das meine ich nicht als Konzentrationslosigkeit, im Gegenteil. My eyes travel habe ich eine Bilderserie genannt. Als Künstler zieht es einen von Thema zu Thema. Von Ort zu Ort. Das nächste Bild soll noch besser werden. Kunst ist immer auf dem Weg. Also möchte ich nicht stehen bleiben. Ich ziehe gerne um. Das hat sich bewährt.

Heimat: Was hat Dich dazu bewogen das Großstadtleben hinter Dir zu lassen und auf das Land zu ziehen? Was macht die Kunst auf dem Land?

Rabe: Nicht viel. Es gibt vereinzelt Projekte mit gewisser Strahlkraft. Gerade auf dem Land haben die Menschen den immer krasser werdenden Medien wenig entgegenzusetzen. Das immer schon dünne Angebot reicht den jungen Menschen nicht und erzeugt einen ungeheuren Stau an Möglichkeiten, die sich nicht mehr in den Fluss des Wirklichen umwandeln lassen, sondern eine Art Paralleluniversum des bloß Denkbaren bilden. Ein kulturelles Verhungern vor ihren Rechnern. Eine ganze Generation hat den Fernseher als Erziehungsberechtigten. Landschaftlich ist es wunderbar auf dem Land. (lacht)

Heimat: Du denkst also, dass der ländliche Raum zum kulturellen Scheitern verurteilt ist? Wie kann man deiner Meinung nach dem entgegensteuern?

Rabe: Nein, der ländliche Raum ist nicht zum Scheitern verurteilt. Es ist nur eine dringende Aufforderung an die Eltern, ihren Kindern Qualität vorzuleben, Qualität beizubringen. Nicht jede schlechte Mode mitzumachen. Sondern eine Haltung zu entwickeln, wie mit der gegebenen Freiheit die wir haben, umzugehen ist. Die Kunst findet nach wie vor in der Stadt ihren Raum. Da hat sich im Digitalen Zeitalter nichts getan.

Heimat: Fällt Dir ein Beispiel aus deinem Alltag ein?

Rabe: Aktuelles Beispiel: Man kann auf dem Land mit niemandem über den viel zu frühen Tod des besten Schauspielers im deutschsprachigen Raum, Gert Voss reden. Auf dem Land kennt man den nicht, obwohl man heute jeden Zugang zu Informationsquellen über die Medien hat. Das Interesse ist einfach nicht da.

Heimat: Worüber würdest Du dich gerne noch mehr unterhalten?

Rabe: Natürlich kennt nicht jeder Gert Voss. Es war nur wieder mal so typisch. Ich möchte nicht ungerecht sein. Es ist keine Kritik, sondern meine Beobachtung. Die Frage war ja was macht die Kunst auf dem Land? Eben nicht so viel, dafür haben die Menschen hier andere Interessen. Der Kunstdiskurs findet in den Städten statt.

Heimat: Heimat ist ein sehr individueller Begriff. Was bedeutet er für Dich?

Rabe: Heimat ist für mich ein zukunftweisender Begriff. Wie ich der Welt in der wir leben gegenüber trete, kommt aus meinem Selbstverständnis. Hier möchte ich mich ständig verbessern. Daher in die Zukunft gerichtet.

Heimat: Ein Begriff im Wandel also, der immer neu definiert werden muss. Wie hat sich dein Heimatbegriff bis jetzt für dich verändert, von der elter- lichen Eckbank bis heute?

Rabe: Den Heimatbegriff von der Eckbank habe ich nie gehabt. Heimat ist für mich ein emotionaler Ort und kein geografischer. Dieses Gefühl, nie anzukommen und fremd zu sein, ist bei mir immer da gewesen und geblieben. Eine kritische Distanz, aus der heraus Kunstwerke entstehen können. Eine Position die selten geworden ist, wie ich finde. Die Künstler von heute haben verlernt, Gestaltungsideen jenseits des Warenförmigen überhaupt nur zu denken. Sie bewegen sich nicht mehr am Rand der Gesellschaft, sondern in deren Mitte, als kreativer Dienstleister symbolischer Produkte.

Heimat: Wenn Heimat kein geografischer Ort ist, was dann?

Rabe: Es hat mit inneren Räumen zu tun. Die innere Richtschnur, meine Haltung, an der ich mich zuweilen bewusst orientiere, ist in meinem Innenraum. Als Künstler habe ich es mit Prozessen ständiger gesellschaftlicher Verflüssigung und Veränderung, der Innovation und des Experimentierens zu tun. Das gilt es auszubalancieren durch die Mechanismen einer gewissen inneren und äußeren Stabilität oder durch zeitübergreifende Sinnsicherung.

Heimat: Das heißt, dass man als Künstler stets wissen muss wer man ist, um die selbstschöpferischen Fähigkeiten für die Arbeit wach rufen zu können. Wie sicherst Du dir diese Stabilität?

Rabe: Nur die Kunst kann uns das geben. Sie kann uns Horizonte öffnen, Identität bilden und Sinn geben. Ihr Beweggrund ist das stetig sich Wandelnde. Die Metamorphosen des Unsichtbaren und Sichtbaren. Stimmungen des Humanen, Farbklänge wie ein Echo. Durch das Einüben in das Fremde und Andere, die Alterität, können wir Erkenntnis über uns erlangen. Daher sollte man den Kunstunterricht an Schulen nicht kürzen. Hier müssen tragfähige Lösungen in der kulturellen Bildung entwickelt werden. Die Kunst kann uns lehren dem Neuen und Fremden nicht mit Abwehr und Blockaden gegenüber zu stehen. Meine Kunstseminare in Firmen zielen genau auf diesen Punkt. Die Arbeitswelt charakterisiert sich durch permanente Veränderungen. Daraus entsteht oft Unfrieden. Der Frieden am Arbeitsplatz erhöht aber die Qualität der Arbeit, des Produkts. Wo Menschen friedlich sind miteinander kann man heimatlich aufgehoben sein. Das können wir tun, um dem tobenden Unfrieden, der zur Zeit in großer Geschwindigkeit in der Welt aufzieht, etwas entgegen zu setzten.

Heimat: Ist Heimat etwas, das Du in deiner Kunst thematisierst?

Rabe: Meine Bilder sind es, die ich Heimat nennen kann. Ich habe sie erfunden, gefunden, in ihnen kenne ich mich aus. Finden sie dann auch noch Rezipienten, dann fangen sie an zu leben, bekommen ihren kommunikativen Charakter, werden zum Gegenstand eines Dialogs. Meine Bilder sind es auch, in die ich dann irgendwann einmal verschwinden werde. Vielleicht noch aus dem Bild heraus winken und dann im Bild verschwinden.

Interview Christian Hafenscher und Björn Kreidler 2015